Die Kommission der Europäischen Union hat sich im Rahmen des Green Deals auf neue Regeln bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung geeinigt. Geplant ist, dass Unternehmen ab 250 Mitarbeitende, mit mehr als 40 Millionen Euro Umsatz oder börsennotierte Unternehmen verpflichtet werden offenzulegen, wie sich ihr Wirtschaften auf Mensch und Natur auswirkt. Das Ziel dabei ist es, die Anstrengungen in Sachen Nachhaltigkeit von Unternehmen anhand gesetzlicher Standards zu überprüfen und zum Maßstab ihres Markterfolges zu machen. Bis Mitte 2024 müssen die Vorgaben der EU in nationales Recht umgesetzt werden.
„Diese Richtlinie droht jedoch in weiten Teilen ein zahnloser Tiger zu werden“, erklärt Christian Felber, Sprecher der mittlerweile in 35 Ländern aktiven Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ). „Wir fordern die Bundesregierung auf, sich bei der Umsetzung der CSR-Richtlinie in deutsches Recht an der Methodik der Gemeinwohl-Bilanz der Gemeinwohl-Ökonomie zu orientieren. Denn um eine Nachhaltigkeitsbilanz zu einem wirklich effektiven Instrument der Transformation zu machen, bedarf es aus unserer Sicht unbedingt der Möglichkeit der quantitativen Bewertung, der Vergleichbarkeit und Sichtbarkeit der Ergebnisse sowie einer Verknüpfung mit Anreizen für nachhaltiges Wirtschaften. Sonst wird dieses potenziell sehr effektive Instrument der sozialökologischen Transformation nicht die nötige Wirkung für Gesellschaft, Klima und Biodiversität entwickeln.“
Die Forderungen im Detail
1. Quantitative Bewertung: Die Inhalte der Nachhaltigkeitsberichte – einschließlich der Indikatoren – müssen im externen Audit mittels eines objektiven und verständlichen Punktesystems bewertet werden, damit die Öffentlichkeit die Berichtsinhalte einordnen kann. Ohne einheitliche Bewertung wird Greenwashing Tür und Tor geöffnet.
2. Vergleichbarkeit und Sichtbarkeit: Die quantifizierten Ergebnisse der Nachhaltigkeitsberichte müssen den Vergleich von Unternehmen ermöglichen, damit Konsument*innen und Investor*innen eine verlässliche Informationsgrundlage für ihre Kauf- oder Investitionsentscheidungen vorfinden. Das Ergebnis des Nachhaltigkeitsberichts soll über ein Label öffentlich gut sichtbar sein.
3. Verknüpfung mit Anreizen: Die Ergebnisse der Nachhaltigkeitsberichte müssen konkrete Konsequenzen zur Folge haben. Nachhaltiges Wirtschaften muss – zum Beispiel durch Steuererleichterungen – belohnt werden. Wirtschaften, das Umwelt und/oder Gesellschaft belastet, muss mit Negativanreizen relativ verteuert werden. Erst wenn externalisierte Kosten auf diese Weise internalisiert werden und die Preise die Wahrheit sagen, wird das Wirtschaftssystem nachhaltig sein.
Begleitende Petition
Um mehr Öffentlichkeit für ihre Forderung zu schaffen, hat die Gemeinwohl-Ökonomie auf nogreenwashing.ecogood.org eine Petition gestartet. Unter dem Claim „Zähne für den zahnlosen Tiger“ adressiert sie die Bundesregierung und im Speziellen das für die nationale Umsetzung zuständige Bundesministerium für Justiz unter Dr. Marco Buschmann (FDP). Christian Felber: „Wir sehen aktuell am Beispiel der CSR-Richtlinie, wie konsequent oder verwässert der Gesetzgeber die brennenden Probleme Klimawandel, Artenvielfaltsverlust, sozialer Zusammenhalt oder Verteilungsgerechtigkeit angehen kann. Gerade in diesen Zeiten hängt die Akzeptanz verpflichtender Nachhaltigkeitsberichte von ihrer Effektivität und Praktikabilität ab. Die Gemeinwohl-Bilanz ist ein seit mehr als zehn Jahren ständig weiterentwickelter Nachhaltigkeitsbericht für Unternehmen, der seine Praxistauglichkeit im wirtschaftlichen Alltag und seine Effektivität in Bezug auf Nachhaltigkeitsziele hundertfach bewiesen hat. Wir fordern die Bundesregierung auf, dieses partizipativ entwickelte und von unterschiedlichen Playern akzeptierte Instrument nicht ungenutzt zu lassen.“
Die Akademie für Textilveredlung, ein Unternehmen der Aka Merch & Textil GmbH, ist Mitglied der Gemeinwohl-Ökonomie und legte 2021 erstmals eine eigene Gemeinwohlbilanz vor. Bei der Fachmesse PSI (10. bis 12. Januar 2023) präsentiert sich die Gemeinwohlökonomie auf dem so genannten „Textile Campus“ und stellt das Tool der GWÖ-Bilanzierung vor.